Geschichte

Chinesischer Ursprung

Etwa ab dem ersten Jahrhundert n. Chr. wurden die ersten buddhistischen Texte von Indien nach China überliefert. Die Vielzahl der sich teilweise widersprechenden Schriften stellte die ersten chinesischen Buddhisten allerdings vor ein Problem. Wie passen die verschiedenen Texte zusammen? Welche Lehre war richtig? Um diese Fragen zu beantworten, entwickelten chinesische Denker Systeme zur Klassifizierung der buddhistischen Lehren.

Zhiyi (538-597) war einer der größten Gelehrten in der chinesischen Geschichte. Er klassifizierte alle Sutras, die zu seiner Zeit ins Chinesische übersetzt worden waren, und kam zu dem Schluss, dass das Lotus Sutra die höchste buddhistische Wahrheit verkörperte.

Zhiyi
Zhiyi war der Gründer der Tiantai Schule

Er verfasste mehrere Abhandlungen über seine Erkenntnisse und entwickelte ein Meditationssystem, um diese Wahrheit im eigenen Geist zu realisieren. Die so von ihm gegründete Schule wurde Tiantai genannt, benannt nach dem Berg, auf dem er viele Jahre weilte.

Etablierung in Japan

Die ersten Schriften dieser Schule gelangten in der Mitte des 8. Jahrhunderts nach Japan, wo sie Tendai genannt wurde, die japanische Lesung von Tiantai. Es war allerdings der Mönch Saichō (766-822), der die Tendai-Schule in Japan etablieren sollte. Saichō wurde in der Provinz Ōmi, östlich von Kyōto, geboren. Im jungen Alter von zwanzig Jahren begab er sich auf den Berg Hiei, wo er sich dem Studium des Buddhismus widmete.

Er interessierte sich vor allem für die Tendai-Lehren, allerdings waren die Tendai-Schriften, die es nach Japan geschafft hatten, nicht vollständig. Also bat er den Kaiser darum, nach China reisen zu dürfen, um diese Lücken schließen zu können. Der Kaiser kam seiner Bitte nach und so reiste Saichō im Jahr 804 nach China, wo er auf dem Berg Tiantai in den Lehren der Tendaishū unterwiesen wurde. Er studierte außerdem eine Übertragungslinie des Chan (Zen) Buddhismus und die Mahayana-Gebote. Später ging er auch zum Tempel Longxingsi, um dort die esoterischen Lehren zu empfangen.

Dengyo Daishi Saicho
Saichō brachte die Tendai-Lehren nach Japan

Mit unzähligen Schriften und buddhistischen Utensilien im Gepäck reiste er nach neun Monaten zurück nach Japan und erstattete dem Kaiser Bericht. Dieser war hoch erfreut und erkannte die Tendaishū als offizielle Konfession an.

Weitere Entwicklung

Saichōs Nachfolger setzten sein Werk fort und systematisierten verschiedene buddhistische Strömungen unter dem Dach der Lotus-Lehre. So ging Ennin (794-864) für ganze neun Jahre nach China und erhielt dort die volle Übertragung der esoterischen Lehren. Außerdem brachte er eine neue Form der Buddha-Vergegenwärtigung (nenbutsu) mit zurück nach Japan, die er auf dem Berg Wutai gelernt hatte.

Genshin (942-1017) systematisierte später in seinem Magnum Opus, dem Ōjōyōshū, die zu seiner Zeit auf dem Berg Hiei praktizierten nenbutsu-Übungen und schuf so die Grundlage für die weitere Entwicklung der Reine Land-Lehren der Tendaishū.

Genshin
Genshin trug maßgeblich zur Verbreitung der Reine Land-Lehren bei

Nicht unerwähnt bleiben dürfen auch die Gründerfiguren des sogenannten Kamakura Buddhismus, zu dem unter anderem die Schulen des Sōtō- und des Rinzai-Zen, die Nichirenshū, die Jōdoshū und die Jōdo shinshū gehören. Sie alle begannen ihre religiöse Karriere als Priester der Tendaishū, was den großen Einfluss dieser Schule zeigt.

Im 16. Jahrhundert brannte der Feudalherr Oda Nobunaga den gesamten Tempelkomplex auf dem Berg Hiei nieder, da er die weltliche und religiöse Macht fürchtete, die sich hier gesammelt hatte. Dem Mönch Tenkai (1536-1643) gelang es jedoch, sich mit den neuen Machthabern der Tokugawa Familie gut zu stellen. Sie halfen ihm dabei, die Tempelgebäude auf dem Berg Hiei wieder aufzubauen.

Tenkai
Tenkai gelang es das Vertrauen der Tokugawa Familie zu erlangen

Ungeachtet ihrer geschichtlichen Bedeutung ist die Tendaishū heutzutage eine der kleineren Schulen des japanischen Buddhismus. Trotzdem gehören einige Tempel der Schule zu den bekanntesten Japans. So etwa der Enryakuji auf dem Berg Hiei, der Sanjūsangendō in Kyōto oder Rinnōji in Nikkō.