Zentrale Lehren

Ein Fahrzeug 

Die verschiedenen Strömungen innerhalb des Buddhismus werden auch als Fahrzeuge bezeichnet. Sie nutzen teilweise sehr verschiedene Methoden und verfolgen unterschiedliche Ziele. Im Lotus Sutra wird jedoch gelehrt, dass dies alles geschickte Mittel sind, um alle Wesen letztendlich in das eine große Fahrzeug der Buddhaschaft zu holen, welches die anderen Fahrzeuge mit einschließt. Damit geht einher, dass alle Lebewesen ohne Ausnahme das Potenzial besitzen, Buddhas zu werden. Egal ob Mann, Frau, arm, reich, Mönch oder Laie. Herkunft, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung spielen dabei überhaupt keine Rolle. Es wird gesagt, dass sogar Gräser und Bäume Buddha-Natur haben.

Die drei Wahrheiten

Die sogenannten drei Wahrheiten besagen, dass alle Phänomene sowohl leer als auch provisorisch existent sind und gleichzeitig die Mitte dieser beiden Seiten verkörpern.

Leere

Das Prinzip der Leere ist eng verknüpft mit dem Daseinsmerkmal der Abwesenheit eines substanziellen Selbsts. Alles entsteht in Abhängigkeit von Ursachen und Umständen. Wenn die Ursachen und Umstände verschwinden, dann verschwindet auch das, was sie geschaffen haben. Alle Phänomene sind wie Illusionen, die von einem Zauberer hervorgebracht werden. Nur ist der Zauberer unser eigener Geist. Wenn man die Leere aller Phänomene realisiert, kann man sich von seinen Anhaftungen an sie lösen und Freiheit erlangen.

Provisorische Existenz

Dass alle Phänomene leer sind, heißt aber nicht, dass nichts existiert. Die Dinge haben zwar kein substanzielles Selbst, aber dennoch werden sie durch äußere Bedingungen hervorgebracht. Wer versucht, sich vor der Welt in die Leere zu flüchten, der verfällt dem Nihilismus. Ein Bodhisattva erkennt die provisorische Existenz der Dinge und nutzt sie, um den fühlenden Wesen auf dem Weg zur Befreiung zu helfen.

Mitte

Der mittlere Weg, den die Buddhas beschreiten, liegt zwischen Nihilismus und Existenzialismus. Die Dinge sind weder existent noch nicht existent. Die Wahrheiten der Leere, der provisorischen Existenz und der Mitte sind nicht voneinander getrennt, sondern drei Aspekte einer einzigen Realität. Wenn wir das erkannt haben, dann sind alle Objekte unseres Geistes der Mittelweg. Jede Farbe und jeder Geruch sind nichts anderes als die Mitte.

Dreitausend Welten in einem Gedankenmoment

Die Lehre der dreitausend Welten in einem Gedankenmoment beschreibt die absolute Realität der Dinge.

Zhiyi nutzt dabei das Konzept der dreitausend Welten, um alle denkbaren Phänomene auszudrücken, sowohl die physischen als auch die mentalen. Die Zusammensetzung der dreitausend Welten mag auf den ersten Blick etwas schwierig zu verstehen sein, trotzdem soll sie hier in aller Kürze erläutert werden.

Alle Phänomene haben zehn Seinsarten, die im zweiten Kapitel des Lotus Sutra erwähnt werden. Sie bestehen aus der Soheit der Erscheinung, Natur, Wesenheit, Potenzial, Aktivität, Ursache, Bedingung, Wirkung, Resultat und der Einheit aller vorher genannten Soheiten. 

Diese zehn Soheiten verbindet Zhiyi mit den zehn Bereichen der Wirklichkeit. Dies sind die Bereiche der Hölle, Hungergeister, Tiere, kämpfende Dämonen, Menschen, Götter, Sravakas, Pratyekabuddhas, Bodhisattvas und Buddhas. Alle diese Bereiche enthalten sich gegenseitig, weshalb man auch von den hundert Bereichen spricht.

Die Soheiten und Bereiche finden sich wiederum in der Welt der fünf Skandhas, aus denen die Wesen zusammengesetzt sind (Form, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformation und Bewusstsein), in der Welt der Wesen selbst und in der Welt der Umgebung, in der sie leben.

Multiplizieren wir also die zehn Soheiten mit den hundert Bereichen und den drei Welten, dann kommen wir auf dreitausend Welten. Diese dreitausend Welten beschreiben die Gesamtheit der phänomenalen Existenz.

Diese Gesamtheit wiederum ist in jedem Gedankenmoment vorhanden. Wo auch immer nur der kleinste Gedankenmoment ist, da sind auch alle dreitausend Welten. Das heißt aber nicht, dass der Geist den Phänomenen a priori vorgeschaltet wäre, noch trifft der umgekehrte Fall zu. Sie stehen in keinem kausalen Verhältnis, sondern entstehen gleichzeitig

Dieses Prinzip ist äußerst subtil und lässt sich letzten Endes nicht konzeptionell begreifen und nicht in Worte fassen.

Die fünf Perioden und acht Lehren

Zhiyi entwickelte ein umfassendes Klassifizierungssystem, in dem er alle Sutras in fünf Perioden und acht Lehren einordnete. Die fünf Perioden sind eine zeitliche Einteilung der Lehrtätigkeit des Buddhas, während die acht Lehren seine verschiedenen Lehrmethoden und Lehrinhalte beschreiben.

Die fünf Perioden

1. Avatamsaka-Periode 

Der Buddha lehrte nach seinem Erwachen für 21 Tage das Avatamsaka Sutra. In ihm erörtert der Buddha die gegenseitige Durchdringung allen Seins, ohne dabei die Aufnahmefähigkeit seiner Zuhörer besonders zu berücksichtigen.

2. Agama-Periode

Der Buddha erkannte, dass die Komplexität dieser Lehre die meisten Menschen überfordern würde und verbrachte die nächsten zwölf Jahre damit, einige seiner grundlegenden Einsichten zu erläutern. Diese Belehrungen wurden in den Agamas gesammelt, die in etwa den Drei Körben (Tripitaka) des Pali-Kanons entsprechen.

3. Vaipulya-Periode

Die darauffolgenden acht Jahre verbrachte der Buddha damit, seine Schüler in die Mahayana-Lehren einzuführen. 

4. Prajnaparamita-Periode

Nachdem der Buddha seinen Schülern die Lehren des Mahayana eröffnet hatte, fuhr er in den nächsten zweiundzwanzig Jahren fort, die Sutras der Vollkommenheit der Weisheit zu verkünden. Diese Lehren beschäftigen sich eingehend mit dem Prinzip der Leere.

5. Die Lotus- und Nirvana-Periode 

In dieser Periode offenbarte der Buddha schließlich seine wahre Absicht. Obwohl die vorangegangenen Lehren widersprüchlich erscheinen, sind ihre Unterschiede lediglich geschickte Mittel, um die eigentliche Lehre zu erkennen, die im Lotus Sutra offenbart und im Nirvana Sutra wiederholt wird. Dies ist die allumfassende Lehre, die das eine Fahrzeug des Buddha etabliert.

Die acht Lehren 

Vier Lehrmethoden 

1. Plötzliche Lehre

Die plötzliche Lehre bezieht sich auf das Avatamsaka Sutra, in dem der Buddha das Wesen der Dinge in direkter Weise ,ohne die Anwendung geschickter Mittel, erklärt.

2. Allmähliche Lehre

Diese Lehre beinhaltet die allmähliche Darlegung der Einsichten Buddhas, angefangen von der Agama-Periode bis zur Prajnaparamita-Periode.

3. Unbestimmte Lehre

Unbestimmte bedeutet, dass obwohl alle Wesen die gleiche Lehre hören, ihr Verständnis von ihren individuellen Fähigkeiten und Neigungen abhängt. 

4. Geheime Lehre

Geheim ist die Lehre dann, wenn die Wesen das Gehörte unterschiedlich verstehen und dabei von dem unterschiedlichen Verständnis der anderen nichts wissen.

Vier Lehrinhalte

1. Lehren der Drei Körbe

Dies sind die Lehren, die zum Nutzen derjenigen gegeben wurden, die noch nicht bereit waren für die Mahayana-Lehren. Dazu gehören die Lehren der Agama-Periode.

2. Gemeinsame Lehren

Dies sind die Lehren, die sowohl für Mahayana- als auch für Nicht-Mahayana-Buddhisten gelehrt wurden.

3. Gesonderte Lehren

Dies sind die Lehren, die sich nur an die Schüler des Mahayana richten.

4. Vollkommene Lehren

Dies sind die Lehren über die universelle Buddhaschaft, wie sie im Lotus und im Nirvana Sutra verkündet werden.